Wilhelm Voigt

Wilhelm Voigt

Der Hauptmann von Köpenick

13. Februar 1849 - 3. Januar 1922

Wilhelm Voigt führte einen der kreativsten und spektakulärsten Betrügereien der deutschen Geschichte durch. Am 16. Oktober 1906 verkleidete sich der damals 57-jährige Schuster als preußischer Hauptmann, rekrutierte eine Gruppe von Soldaten auf der Straße und "beschlagnahmte" die Stadtkasse von Köpenick.

Hintergrund und Persönlichkeit

Wilhelm Voigt wurde am 13. Februar 1849 in Tilsit, Ostpreußen (heute Sowetsk, Russland) geboren. Sein Leben war von Armut und kriminellen Aktivitäten geprägt:

  • Bereits als junger Mann wurde er wegen Diebstahls und Urkundenfälschung mehrfach verurteilt
  • Insgesamt verbrachte er etwa 27 Jahre seines Lebens in Gefängnissen
  • Nach seiner letzten Entlassung 1906 konnte er keine Arbeit finden, da er keinen Ausweis besaß
  • Die bürokratische Sackgasse, in der er sich befand, inspirierte seinen berühmten Coup

Der Hauptmann-Coup im Detail

Voigts Plan war ebenso einfach wie genial:

  1. Er kaufte Teile einer ausrangierten Hauptmannsuniform in Trödlerläden
  2. Am 16. Oktober 1906 zog er die Uniform an und sprach auf der Straße eine Gruppe von Soldaten an
  3. Durch sein selbstsicheres Auftreten und die Autorität der Uniform gelang es ihm, die Soldaten zu überzeugen, ihm zu folgen
  4. Er marschierte mit ihnen zum Rathaus von Köpenick
  5. Dort erklärte er dem Bürgermeister, er handle auf höchsten Befehl und müsse die Stadtkasse beschlagnahmen
  6. Er ließ 4002 Mark und 37 Pfennig (heute etwa 25.000 Euro) aushändigen
  7. Anschließend ließ er den Bürgermeister und den Kassierer "verhaften" und zur Neuen Wache in Berlin bringen
  8. Er selbst verschwand mit der Beute

Verhaftung und Folgen

Voigt wurde zehn Tage nach dem Coup verhaftet. Ein Komplize hatte ihn verraten, nachdem eine Belohnung ausgesetzt worden war. Er wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Kaiser Wilhelm II. begnadigte ihn jedoch bereits nach weniger als zwei Jahren am 16. August 1908.

Der Fall erregte internationales Aufsehen und wurde zum Symbol für die blinde Obrigkeitshörigkeit im deutschen Kaiserreich. Die Geschichte des "Hauptmanns von Köpenick" wurde zu einer der bekanntesten Anekdoten der deutschen Geschichte.

Nachleben und kulturelle Bedeutung

Nach seiner Freilassung nutzte Voigt seine Berühmtheit:

  • Er trat in Varietés und Zirkussen auf, wo er seinen Coup nachstellte
  • Er schrieb seine Memoiren "Wie ich Hauptmann von Köpenick wurde"
  • Er posierte für Fotografen in seiner berühmten Hauptmannsuniform
  • Sein Leben wurde mehrfach verfilmt und als Theaterstück adaptiert, am bekanntesten ist Carl Zuckmayers "Der Hauptmann von Köpenick"

Wilhelm Voigt starb am 3. Januar 1922 in Luxemburg. Sein Grabstein trägt die Inschrift "Wilhelm Voigt, Hauptmann von Köpenick".

Berühmte Zitate

"Ich wollte mir einen Ausweis verschaffen, damit ich Arbeit finden und ein anständiges Leben führen kann." — Wilhelm Voigt während seines Prozesses
"Der ganze Militarismus geht mir auf die Nerven. Ich wollte zeigen, wie weit man mit einer Uniform kommen kann." — Wilhelm Voigt
"Unglaublich, was man in Preußen mit einer Uniform alles machen kann." — Kaiser Wilhelm II. nach dem Vorfall

Kreative Verbrechenselemente

Was Voigts Coup besonders bemerkenswert macht:

  • Er nutzte die deutsche Autoritätsgläubigkeit und Uniformverehrung perfekt aus
  • Ohne einen einzigen Schuss abzufeuern oder jemanden zu verletzen, gelang ihm ein spektakulärer Raub
  • Er entlarvte die Schwächen des preußischen Systems durch seine einfache aber geniale Täuschung
  • Mit minimalen Mitteln (eine zusammengekaufte Uniform) erzielte er maximale Wirkung

Voigts Geschichte zeigt, wie ein einzelner Mann mit Kreativität, Mut und psychologischem Geschick ein ganzes System vorführen konnte - ein perfektes Beispiel für einen "Superschurken" nach unserer Definition.

Steckbrief

Geboren: 13. Februar 1849
Gestorben: 3. Januar 1922
Nationalität: Deutsch
Beruf: Schuster
Bekannt für: Köpenickiade (1906)
Beute: 4.002 Mark und 37 Pfennig
Strafe: 4 Jahre Gefängnis (begnadigt nach 2)
Methode: Autoritätstäuschung durch Uniform